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Mobile First & Plattform-Commerce als Wachstumstreiber
Indonesien, Vietnam, Philippinen: Mobil geprägte Wachstumsmärkte
In Indonesien stammen rund 70 % des E-Commerce-Umsatzes von Smartphones. Plattformen wie Shopee und Tokopedia führen den Markt klar an und treiben Trends wie Livestream-Commerce und In-App-Käufe maßgeblich voran. In vielen Regionen bleibt Cash-on-Delivery noch verbreitet, während Wallets wie GCash (Philippinen) oder OVO/GoPay (Indonesien) sukzessive an Bedeutung gewinnen.1
- Social Commerce wächst stark: TikTok Shops und Livestream-Selling setzen neue Impulse, besonders im Fashion- und Beautysegment.
- Bezahlsysteme bleiben fragmentiert: Cash-on-Delivery ist oft noch Standard, doch Wallets wie GCash (Philippinen) oder OVO (Indonesien) holen auf.
Singapur: Der Premium-Marktführer
Singapur zeichnet sich durch eine hohe Nutzung digitaler Zahlungen aus. 2024 entfielen rund 39 % der E-Commerce-Transaktionen auf digitale Wallets. Wallets überholten Kreditkarten als bevorzugte Zahlungsart.2
Plattform-Commerce ist dort stärker kuratiert, mit Premium-Fokus. Kooperationen zwischen Plattformen und Finanz-/Mobilitätsdiensten sind im Aufbau, um Shopping in den Alltag zu integrieren.3
Stationärer Handel zwischen Modernisierung und Erlebnis-Malls
Thailand & Malaysia: Retailtainment im Fokus
In Bangkok und Kuala Lumpur wandeln sich Einkaufszentren von reinen Verkaufsflächen zu Erlebnisorten. Gefragt sind neben dem Angebot an Geschäften wechselnde Events und Installationen, um Shopping als Freizeitdestination zu inszenieren.
Beispiele:
- ICONSIAM in Bangkok: High-End-Mall mit Flussblick, Luxusboutiquen, „Indoor-Floating Market“ (SookSiam) und Kulturprogrammen
- Pavilion KL in Kuala Lumpur: Luxusmarken, Food Courts und Fashion Shows und andere Events
Vietnam & Indonesien: Moderne stationäre Formate
In Vietnam und Indonesien wird der stationäre Handel zunehmend modernisiert. Convenience- und Quick-Commerce-Stores sowie neue Mall-Konzepte in urbanen Räumen gewinnen an Bedeutung. Mini-Malls in Wohnvierteln (z. B. in Jakarta) etwa kombinieren Grocery, Fashion und Café-Kultur. Internationale Marken nutzen Strategien wie Co-Branding mit lokalen Partnern, um Konsument*innen besser anzusprechen.
Gut zu wissen: Plattformen & Kennzahlen im ASEAN-Handel
Markt & Wachstum
- Der E-Commerce-Umsatz in den ASEAN-6 Ländern wird 2024 auf rund 136 Mrd. USD GMV geschätzt mit einem Wachstum auf 261 Mrd. USD bis 2029.
- In Indonesien werden ~70 % der Online-Käufe mobil abgewickelt.
Zahlungsmarkt & Wallets
- In Singapur hat sich der Anteil digitaler Wallets in E-Commerce-Transaktionen signifikant erhöht, sie überholen inzwischen Kreditkarten als bevorzugtes Zahlungsmittel (z. B. 39 % E-Commerce-Transaktionen durch Wallets).
- In ganz Südostasien sind mobile Wallets, Embedded Finance und BNPL zentrale Trends.
Plattformen & Marktpositionen
- Shopee ist eine der führenden Plattformen in Südostasien mit starkem Marktanteil und Breitenwirkung in vielen ASEAN-Ländern.
- Tokopedia ist einer der wichtigsten Player in Indonesien (gehört seit 2024 mehrheitlich zu TikTok).
D2C & Local First: Junge Marken auf dem Vormarsch
Lokale Marken stehen in vielen ASEAN-Ländern im Fokus. Besonders die Gen Z bevorzugt Unternehmen, die kulturell verwurzelt sind und soziale Werte vertreten. D2C-Brands (Direct-to-Consumer) nutzen Plattformen wie Instagram und TikTok erfolgreich, um ihre Zielgruppen anzusprechen. Beispiele hierfür sind:
- Erigo (Indonesien) fungiert heute als eine der bekanntesten Streetwear-Marken und nutzt eigene Onlinekanäle (inkl. Onlineshop) für den Direktvertrieb.
- Pomelo (Thailand) bezeichnet sich selbst als „Internet-first“-Marke betreibt Omnichannel-Stores mit Tap.Try.Buy-Konzept (online bestellen, im Store anprobieren, nur Behaltenes zahlen).
- In Vietnam wächst der D2C-Markt mit zweistelligem CAGR bis 2031, vorwiegend in Mode- und Beauty-Segmenten, gestützt durch hohe mobile Nutzung und Plattform-Infrastruktur.
Nachhaltigkeit zwischen Anspruch und Infrastruktur
Singapur & Malaysia: Nachhaltigkeit als Premium-Anspruch
In Singapur spielt Nachhaltigkeit eine wichtige Rolle: Konzeptläden wie The Social Space verbinden Café, Refillery, Fair-Trade-Retail und nachhaltige Services unter einem Dach. Refill-Angebote und umweltfreundliche Marken finden im Lifestyle- und Premiumsegment zunehmend an Sichtbarkeit
Vietnam & Indonesien: Lokale Initiativen
Trotz lückenhafter Recycling-Infrastruktur und begrenzte Ressourcen in ländlichen Regionen wachsen urbane Nachhaltigkeitsprojekte:
- Thrift- und Secondhand-Läden wie Kho Đồ Renew in Ho-Chi-Minh-Stadt fördern Wiederverwendung.
- Upcycling-Initiativen wie der „clothing-for-plants swap“ in HCMC schaffen kreative Austauschmodelle zwischen Kleidung und Natur.
- Neue Shopping-Städte und Mall-Entwicklungen in Vietnam achten zunehmend auf Green-Building-Standards und nachhaltige Architektur.
Erlebnis- & Community-Retail
Thailand & Philippinen: Verknüpfung von Shopping und Kultur
In Bangkok und Manila fungieren Einkaufszentren und Märkte zunehmend als soziale Räume, in denen Gastronomie, Kunst und Gemeinschaft zusammenkommen. Greenbelt in Makati, betrieben von Ayala Malls, verbindet offene Grünflächen mit Retail, Gastronomie und urbanem Lifestyle – ein Beispiel für modernen Community-Retail.
Visualisierung der Neugestaltung von Greenbelt: Der Ayala-Malls-Komplex wird offener, grüner und stärker auf Begegnung ausgerichtet. © Ayala Malls / OMA
Auch der Chatuchak Weekend Market in Bangkok, einer der größten Märkte der Stadt, zieht mit seinem Mix aus Streetwear, Accessoires, Essen und traditioneller Kultur zahlreiche Besucher*innen an und dient auch als Erlebnisraum.
Singapur: Retail als Teil der Stadtplanung
In Singapur wird Retail zunehmend mit Stadtentwicklung verzahnt. Der Masterplan für Orchard Road will die Shoppingstraße zu einem „Lifestyle-Korridor“ mit Erlebnis, Grünflächen und Erholung weiterentwickeln.
Mixed-Use-Projekte entlang der Orchard Road werden aktuell neu gedacht: Kombinationen aus Wohnen, Retail, Büro und öffentlichen Räumen sind in Planung, während Pop-up-Stores und konzeptionelle Retail-Flächen zunehmen.
Influencer*innen & Creator-Commerce
Der Großteil des Konsumverhaltens in Südostasien ist digital sozialisiert: TikTok, Instagram und YouTube, aber auch ASEAN-weite Apps wie Shopee und Tokopedia sind nicht nur Content-Plattformen, sondern Vertriebskanäle für Marken und D2C-Produkte. Laut dem Influencer Marketing SEA-Report haben Influencer*innen eine entscheidende Bedeutung im E-Commerce, insbesondere bei Gen Z und Millennials.
Philippinen, Indonesien & Vietnam:
In diesen Märkten wächst die Rolle von Creator-Communities deutlich. Marken nutzen Live-Commerce und Affiliate-Modelle verstärkt durch Influencer*innen. Auf den Philippinen betreibt die Plattform Kumu bereits Livestream-E-Commerce und bindet Influencer*innen und Marken in das System ein.
Ihr Einfluss ist dabei nicht zu unterschätzen. Mit regionalem Fokus und hoher Interaktion bieten sie:
- Glaubwürdigkeit durch Nähe zur Community
- Geringere Streuverluste bei lokalen Zielgruppen
- Hohe Konversion im Zusammenspiel mit Social-Commerce-Plattformen wie TikTok Shop, Shopee Live oder Lazada Seller Center
Thailand & Malaysia:
Auch hier steigen Kooperationen zwischen Händlern und Creator*innen. Beispiele sind die Nutzung von Pop-up-Flächen durch Influencer*innen, In-App-Vertriebskanäle oder Kooperationen bei Fashion-Releases.
Die Creator Economy fungiert zunehmend als Wachstumsmotor für digitalen Handel in ASEAN: Sie verknüpft Brand Storytelling, Community-Engagement und Performance-Marketing.
Beauty & Fashion als Innovationstreiber
Indonesien, Vietnam, Philippinen: Wachstum durch Social Commerce
In den dynamischen Konsummärkten Südostasiens gehört Beauty zu den wachstumsstärksten Segmenten mit teils zweistelligen Zuwachsraten pro Jahr, so etwa mit ca. 11 % auf den Philippinen. Insbesondere TikTok-Commerce, Instagram-Shops und D2C-Verkaufsmodelle treiben den Absatz.
In Indonesien ist Somethinc eine prominente halal-zertifizierte Beauty-Marke mit D2C-Fokus.
Mode- und Fashiontrends in ASEAN werden häufig von kulturellen Einflüssen und Streetstyle geprägt – mit experimentellen Kollektionen, limitierten Drops und Pop-up-Aktionen. Der regionale Markt wird zudem von einer steigenden digitalen Affinität getragen: Marken und Start-ups nutzen verstärkt Plattformen wie Instagram, TikTok und Direktverkauf (D2C), um Kund*innen direkt zu erreichen.
Singapur: Premium-Standards setzen
Singapur hebt sich als Tech-Innovator und Premium-Hub im Beauty-Retail durch seine starke Integration digitaler und physischer Handelssysteme hervor.
- Watsons Singapur betreibt ein O+O-Modell und nutzt AR-Tools (z. B. Colour Me Virtual Make-up Try-on, Skinfie Lab für Selfie-Hautanalysen)
- Auch die lokale Start-up-Szene zeigt Innovationskraft: Sequential Skin entwickelt ein genbasiertes Hautanalyse-Kit für personalisierte Produktempfehlungen.
Watsons Singapur verbindet stationären Handel, Online-Shop und Lieferung über Plattformpartner wie Grab zu einem integrierten O+O-Retail-Erlebnis. © A.S. Watson Group
Während internationale Premium-Marken stark vertreten sind und lokale Beautymarken mit innovativen Ansätzen wachsen, lässt sich die Dominanz oder der vollständige Shift zu Clean Beauty, also Produkte ohne schädliche Inhaltsstoffe, aktuell nicht durch belastbare Daten belegen. Der Markt ist differenziert und vielfältig.
Innovation & Retail-Tech
Innovationstreiber Singapur: Retail-Tech im Realbetrieb
Singapur gilt als technologischer Vorreiter im südostasiatischen Einzelhandel – nicht nur in der Infrastruktur, sondern vor allem bei der Integration neuer Technologien in den stationären Handel.
- „Scan & Go“ bei FairPrice ermöglicht Kund*innen, Produkte via App zu scannen und direkt zu bezahlen. Das reduziert Wartezeiten und fördert app-basiertes Einkaufen.
- Der FairPrice Finest Store in Sengkang demonstriert, wie Self-Check-out, Scan Lanes und App-Interaktion kombiniert werden.
- Trax Retail, mit Sitz in Singapur, liefert cloud- und AI-basierte Lösungen für Regalmanagement und In-Store-Analyse und gilt als führender Anbieter im Retail Tech-Segment.
- Während Smart-Shelving und In-Store-Analytics als Schlüsseltechnologien gelten, existieren bereits Fallbeispiele zur Dynamik in Bestands- und Ausführungslösungen.
Singapur zeigt, wie Retail-Tech zur Realität wird – mit skalierbaren Modellen für die gesamte ASEAN-Region. Gerade im Kontext von Arbeitskräftemangel, Urbanisierung und digitalen Kundenerwartungen setzen diese Lösungen neue Standards für Effizienz und Erlebnis.
Thailand & Vietnam: Digitale Pilotprojekte
In Thailand und Vietnam entstehen erste digitale Ladenformate. Mögliche Technologien, die in Pilotprojekten getestet werden könnten, umfassen Smart Shelves, Besucher Heatmaps und mobile Self-Checkout-Funktionen.
In diesen Märkten fördern allgemeine Digitalprogramme (z. B. Thailand 4.0) Innovation in verschiedenen Wirtschaftsbereichen – ein Ansatz, der mittelfristig auch Retail-Tech-Start-ups besseren Zugang verschaffen kann.
Fazit: ASEAN als Testmarkt der Zukunft
Die Retail-Trends ASEAN zeigen eindrücklich, wie divers und innovationsgetrieben die Handelslandschaft in Südostasien ist. Ob Mobile Commerce, Nachhaltigkeit oder Retail-Tech: Die Region fungiert zunehmend als Pilotraum für neue Handelsformate. Mit über 14 % jährlichem Wachstum im E-Commerce prognostiziert ASEAN 2029 ein Marktvolumen von rund 261 Mrd. USD.
Eine junge, digital versierte Bevölkerung, steigende Einkommen und urbanes Wachstum eröffnen enormes Potenzial. Marken und Handelstreibende, die hier erfolgreich performen, könnten ihre Konzepte später auf globaler Ebene skalieren.
FAQ zu Retail-Trends in ASEAN
Welche Länder prägen die aktuellen Retail-Trends in Südostasien?
Indonesien, Vietnam und die Philippinen gelten als wichtigste Wachstumsmärkte mit starkem Fokus auf Mobile- und Social-Commerce. Singapur positioniert sich als Premium-Markt mit digitaler Zahlungsinfrastruktur und Retail-Tech-Innovationen.
Welche Chancen bietet der ASEAN-Markt für internationale Marken?
Mit einer jungen, digitalaffinen Bevölkerung und wachsender Mittelschicht bietet ASEAN enormes Potenzial. Marken können durch lokale Partnerschaften und D2C-Strategien erfolgreich expandieren.
Welche Markteintritts-Herausforderungen müssen internationale Marken in ASEAN meistern?
Internationale Marken treffen in der ASEAN-Region auf sehr unterschiedliche Marktstrukturen, Sprachen und Verbrauchermentalitäten. Zu den größten Herausforderungen zählen fragmentierte Logistik, komplexe regulatorische Rahmenbedingungen und kulturelle Anpassung. Erfolgreiche Markteintritte gelingen meist über lokale Partnerschaften, Omnichannel-Strategien und die Einbindung regionaler Plattformen wie Shopee oder Tokopedia.
Wie sieht die Zukunft des Retail-Technologie-Sektors (z. B. KI, Smart Stores, Datenanalyse) in ASEAN aus?
Die ASEAN-Region gilt als Testfeld für Retail-Innovationen. In Singapur setzen Händler bereits auf KI-basierte Lösungen wie Smart Shelves, In-Store-Analytics und Self-Checkout-Systeme. Länder wie Thailand und Vietnam folgen mit Pilotprojekten im Rahmen nationaler Digitalstrategien. Datenanalyse, Automatisierung und personalisierte Kundenerlebnisse werden in den kommenden Jahren zu zentralen Wachstumstreibern des Handels in Südostasien.
1 https://www.mordorintelligence.com/industry-reports/indonesia-ecommerce-market
2 Worldpay Global Payments Report 2025: https://fintechnews.sg/112214/e-wallets/digital-wallets-overtake-credit-cards-as-top-e-commerce-payment-method-in-singapore
3 UOB × Lazada: https://www.uobgroup.com/web-resources/uobgroup/pdf/newsroom/2023/uob-lazada-form-strategic-partnership.pdf